„Ex-citing“ Future durch Wasserstoff
Wasserstoff - das versteckte Lebenselixier
DOI: 10.60048/exm20_08Bezeichnete man außerhalb von Expertenkreisen Wasserstoff als das wichtigste Element für unser Leben, würde dies auf den ersten Blick sicher allgemeines Erstaunen hervorrufen. Für unsere Sinne hält sich Wasserstoff nämlich weitgehend versteckt, die meisten Menschen haben zwar schon einmal etwas von ihm im Chemieunterricht gehört, aber wir können seine Bedeutung nur indirekt spüren.
Bis auf wenige Ausnahmen, die auf der Wirkung der Gravitation und der Radioaktivität beruhen, ist Wasserstoff die Quelle der meisten Primärenergien, die das Leben auf unserem Planeten, wie wir es kennen, überhaupt ermöglichen. Die von der Sonne abgestrahlte Energie, die Klima und Natur auf der Erde bestimmt, entsteht durch die Kernfusion von Wasserstoffmolekülen zu Heliumatomen in einer Entfernung von etwa 150 Millionen Kilometern.
Diese Energie treibt die Photosynthese der Pflanzen an und sorgt so für unsere Nahrung. Alle als fossile Energieträger bezeichneten Rohstoffe, also Kohle, Erdöl und Erdgas sind Überbleibsel photosynthetischer Prozesse die vor vielen Millionen von Jahren auf der Erde stattfanden. Auch die sogenannten erneuerbaren Energien beruhen auf den Wirkungen der abgestrahlten Sonnenenergie, sie sind damit ebenfalls auf die Kernfusion von Wasserstoffmolekülen zurückzuführen. Nutzt man bei solarthermischen Kraftwerken die Sonnenstrahlen direkt in gebündelter Form zum Verdampfen von Wasser und zum Antrieb von Dampfturbinen so wird bei photovoltaischen Anlagen der innere photoelektrische Effekt ausgenutzt, um Spannungen zu erzeugen und somit elektromotorische Kräfte freizusetzen. Nicht so offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen der von der Sonne abgestrahlten Fusionsenergie und der Nutzung kinetischer Energie durch Windkraftwerke. Aber er besteht! Wind ist nämlich nichts anderes als eine Luftströmung zum Ausgleich von lokalen Druckunterschieden welche wiederum auf lokale Temperaturunterschiede zurückzuführen sind. Und diese entstehen durch unterschiedliche Intensitäten der Sonneneinstrahlung. Mit der energetischen Nutzung von Biomasse sind wir wieder bei der Photosynthese angelangt.
Aber nicht nur aus energetischer Sicht stellt der Wasserstoff das wichtigste Element für die Entwicklung und das Gedeihen der Menschheit dar. Nehmen wir nur den Jahrtausende alten Menschheitstraum vom Fliegen: Zahllose Versuche mit mechanischen Flugmaschinen mussten scheitern, bis im Jahr 1783 der Franzose Jaques Alexandre Charles den ersten mit Wasserstoff gefüllten Ballon aufsteigen ließ und in ihm die 15 Kilometer lange Strecke vom Pariser Marsfeld in das Dörfchen Gonesse zurücklegte. Auch den Traum vom Flug in den Weltraum machte die Nutzung von Wasserstoff als Raketentreibstoff wahr, genau wie die Eroberung der Tiefsee mit Hilfe von wasserstoffgetriebenen Brennstoffzellen.
Nicht zuletzt soll die Rolle von Wasserstoff als eines der beiden Hauptelemente des Wassers – also unseres Lebenselixiers schlechthin – erwähnt werden.
Jetzt sollte jeder Leserin und jedem Leser die gewichtige Rolle des Wasserstoffs bewusst geworden sein. Warum aber kommt diesem Element bisher zum Beispiel in unserer Umgangssprache nicht eine ähnlich herausragende Bedeutung zu, wie anderen Medien so z.B. Luft oder Wasser? Der Grund dafür ist in der Tatsache zu suchen, dass Wasserstoff in unseren Lebensräumen nicht elementar vorkommt, er ist hier immer in verschiedene chemische Verbindungen eingebettet. Um ihn als Element freizusetzen, muss eine bestimmte Energiemenge aufgebracht werden, fällt diese Energie weg, verbindet sich Wasserstoff spontan und schnell wieder mit anderen geeigneten Elementen wie z.B. Sauerstoff zu Wasser. Und genau dieses Verhalten ist es, die den Wasserstoff in der heutigen Zeit zu dem großen Hoffnungsträger der Energiewende macht, ihn aber auch aus sicherheitstechnischer Perspektive als gefährlich einstufen lässt.
Auf genau diese Zusammenhänge soll in diesem Artikel eingegangen werden.
Segen und Fluch der fossilen Rohstoffe
Der immense Aufschwung der westlichen Industrienationen, der mit der industriellen Revolution des neunzehnten Jahrhunderts begann und in dessen Folge auch weite Teile der Welt insbesondere in Asien zu Wohlstand kamen kann – vereinfacht gesagt – auf die intensive Nutzung fossiler Rohstoffe in Verbrennungsmaschinen zurückgeführt werden. Es begann mit dem Verbrennen von Kohle zur Erzeugung von Wasserdampf der Dampfmaschinen antrieb und führte über die von Diesel und Benzin befeuerten Verbrennungsmaschinen hin zu hocheffizienten Gasturbinen in der Gegenwart.
Musste sich bis dahin die Menschheit mit der eigenen Muskelkraft, unterstützt von Nutztieren bescheiden, standen ihr nun zusätzliche Kräfte in einem nahezu gigantischen Ausmaß zur Verfügung. Eine kleine Rechnung soll dies illustrieren: Der Energieinhalt eines Barrels Rohöl (159 Liter) wird als „Barrel Öl Einheit“ „boe“ bezeichnet und beträgt 1628,2 kWh. Ein junger und gesunder Mensch kann eine jährliche Arbeitsleistung von ca. 100 kWh aufbringen (1). Damit steckt in einem Barrel Rohöl die durchschnittliche Jahresarbeitsleistung von 16 Menschen. Betrachtet man die Tatsache, dass seit Beginn der industriellen Revolution etwa 2,6 1012 Barrel Erdöl gefördert und genutzt wurden, kann man den enormen Zuwachs an nutzbarer Energie in Form der fossilen Träger gut abschätzen.
Seit einigen Jahren sind diese allerdings mehr und mehr in Verruf gekommen: Dies hängt hauptsächlich mit der allgemein angenommenen schädlichen Wirkung des bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe entstehenden Kohlendioxids auf das Klima zusammen. Andererseits muss man anerkennen, dass die Reichweite der fossilen Rohstoffe nicht endlos ist. Wissenschaftler streiten sich seit Jahrzehnten, wann das Fördermaximum (Peak) des Erdöls oder Erdgases erreicht sein wird. Unabhängig von der Realitätsnähe und Genauigkeit dieser Schätzungen ist anzuerkennen, dass die Förderung immer schwieriger wird, weil sich die neuentdeckten Lagerstätten in immer unwirtlicheren Gegenden wie der Tiefsee oder der Arktis befinden. Ab dem Punkt, bei dem die Förderung der Energierohstoffe einen höheren Energieaufwand verlangt, als in ihnen enthalten ist, wird eine physikalische und ökonomische Grenze erreicht, die man nicht lange überschreiten kann.
Es ist also angeraten, rechtzeitig neue Energiequellen zu erschließen, die nicht nur den Wohlstand der westlichen Welt erhalten, sondern auch geeignet sind, armen und unterentwickelten Regionen z.B. in Afrika oder Südamerika realistische Entwicklungschancen zu bieten.
Neben der Kernenergie, die an dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden soll, bieten sich dazu die sogenannten Erneuerbaren Energien an. Von diesen sind die Möglichkeiten der Nutzung von Wasserkraft und biogener Rohstoffe in vielen Regionen weitestgehend ausgereizt.
Signifikante Wachstumsmöglichkeiten ergeben sich dagegen mit der Nutzung der Photovoltaik, Solarthermie und der Windenergie. Obwohl diese Energiequellen durchaus ernstzunehmende Alternativen für die Energieversorgung der Zukunft darstellen, weisen sie einige schwerwiegende Nachteile auf, von denen ihre geringe Energiedichte und ihre Volatilität - sprich periodische Schwankung des Angebotes - hervorzuheben sind. Um eine Volkswirtschaft wie Deutschland überwiegend durch Erneuerbare Energien stabil und zuverlässig versorgen zu können, werden daher große Energiespeicherkapazitäten mit einer hohen Energiedichte benötigt. Geht man beispielsweise von einer, über längere Zeiträume zu puffernden Grundleistung von 70 GW aus, würde das eine Speicherkapazität verlangen, die einem gigantischen Pumpspeicherkraftwerk mit dem Volumen des Bodensees und einer Fallhöhe von 800 m entspricht (2). Wasserstoff bietet sich aufgrund seiner Eigenschaften als guter Energieträger und –speichermedium an und kann – wenn auch nicht kostenlos – beide Hauptnachteile volatiler erneuerbarer Energien kompensieren.
Einige „Ex - ponierte“ Eigenschaften des Wasserstoffes (3)
Wasserstoff ist unter Normalbedingungen ein farb- und geruchloses Gas. Wasserstoff ist nicht toxisch und verursacht keine Umweltschäden. In der Natur kommt der Wasserstoff überwiegend gebunden und fast nie rein (d.h. als unvermischtes Gas) vor. Von keinem anderen Element sind so viele Verbindungen bekannt; die häufigste ist Wasser (4).
Wasserstoff (H2) | Methan (CH4) | |
---|---|---|
Dichte [kg/m3] | 0,08388 | 0,7175 |
Molekülgröße nm | 0,276 / 0,106* | 0,324 |
Zündtemperatur in Luft [°C] | 585 | 540 |
Max. Flammengeschw. [cm/s] | 346 | 43 |
Zündbereich in Luft [Vol.-%] | 4 - 73 | 5 - 14 |
Wärmeleitfähigkeit [W/(m x K)] | 0,18339 | 0,0341 |
Zündenergie [mJ] | 0,02 | 0,28 |
* einzelnes Wasserstoffatom |
* einzelnes Wasserstoffatom |
Die Dichte von Wasserstoff in gasförmigen Zustand beträgt bei einer Temperatur von 0°C 0,089 g/l. Luft dagegen hat eine Dichte von 1,29 g/l und ist damit 14 Mal schwerer. Dadurch erfährt Wasserstoff in der Atmosphäre eine große Auftriebskraft, was in Freianlagen zu einer raschen Verflüchtigung führt.
Aufgrund der sehr geringen Molekülgröße (siehe Tab. 1) besitzt Wasserstoff eine hohe Diffusionsfähigkeit und geringe Viskosität. Er kann sich dadurch gut und schnell in andere Medien wie umgebende Atmosphäre oder Metalle hineinverbreiten und diese durchdringen. Diffusion wird durch Konzentrationsunterschiede angetrieben. Besondere Herausforderungen stellen sich an die Dichtheit von Wasserstoffapparaturen, die aber technisch durchaus beherrschbar sind. Gut bekannt ist der Effekt des Kriechens von Wasserstoffatomen an metallischen Korngrenzen, was durch die anschließende Bildung von Wasserstoffmolekülen zur Metallversprödung führen kann.
Dass Wasserstoff mit Sauerstoff explosionsfähige Gemische bilden kann, wissen sicher noch viele Leserinnen und Leser aus dem Chemieunterricht (Knallgas). Sicherheitstechnisch interessant ist dabei der außergewöhnlich breite Explosionsbereich, der von 4 Vol.% (Untere Explosionsgrenze UEG) bis 77 Vol.% (Obere Explosionsgrenze OEG) reicht.
Die Mindestzündenergie von 0,02 mJ ist eine der niedrigsten; in der gefährlichsten Zündgruppe IIC befinden sich neben dem Wasserstoff mit Acetylen und Schwefelkohlenstoff lediglich zwei weitere Gase. Im Widerspruch zu der niedrigen Zündenergie scheint die relativ hohe Mindestzündtemperatur von 585°C zu stehen. Diese Diskrepanz ist mit der hohen Wärmeleitfähigkeit von Wasserstoff zu erklären: Da immer der Nettozustrom von Wärme für das Auslösen von Explosionen entscheidend ist, bedarf es z.B. sehr heißer Oberflächen, um eine genügend große Wärmemenge in ein Wasserstoff – Luft – Gemisch zu transportieren, bis die Zündung einsetzt.
Auch wegen der extrem hohen Flammengeschwindigkeit, die immerhin etwa acht Mal höher ist als die einer Methanflamme, nimmt Wasserstoff eine exponierte Stelle unter den explosionsfähigen Gemischen ein. Wird diese Eigenschaft in Raketenantrieben bewusst genutzt, um einen besonders starken Impuls (Masse mal Flammenausbreitungsgeschwindigkeit) zu erzielen, so sorgt sie bei ungewollten und unkontrollierten Wasserstoffexplosionen für eine besonders hohe Zerstörungs-kraft. Wie man Letzteres wirksam verhindern kann, wird weiter unten beschrieben.
Explosionsschutz in Wasserstoffanwendungen
Die Beherrschung der von Wasserstoff ausgehenden Gefahren, von denen besonders seine ausgeprägte Explosionsneigung im Zusammenspiel mit einem geeigneten Oxidationsmittel – insbesondere Sauerstoff in der Luft – hervorzuheben ist, gehört seit vielen Jahrzehnten zum Repertoire der Sicherheitstechnik. Mit der Einführung des Haber-Bosch-Verfahrens zur Synthese von Ammoniak, Anfang des 20. Jahrhunderts, begann die großtechnische Nutzung von Wasserstoff. Auch in dieser Anwendung offenbart sich die herausragende Bedeutung dieses Elements für die Menschheit: Mit dem synthetisch hergestellten Ammoniak ließen sich erstmals im großen Maßstab Kunstdüngemittel herstellen, die einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung einer stetig wachsenden Erdbevölkerung leisten! Gegenwärtig geht man von einer Wasserstoff - Jahresproduktion von mehr als 100 Millionen Tonnen aus (5). Neben der Herstellung von Ammoniak wird diese Menge, hauptsächlich in Raffinerieprozessen, und für die Produktion von Methanol verwendet.
Der Explosionsschutz funktioniert in all diesen Anwendungen seit vielen Jahrzehnten sicher und zuverlässig. International wird er über die Normenreihen IEC 60079 und IEC 80079 geregelt, für die das Technische Komitee TC 31 bei der IEC verantwortlich ist. In der Mehrzahl der Länder und Regionen werden diese Normen nahezu deckungsgleich in regionale und nationale Standards umgewandelt und befolgt. Für zwei sehr gebräuchliche Zündschutzarten, die „druckfeste Kapselung“ und die „Eigensicherheit“ werden die oben genannten Eigenschaften des Wasserstoffs dadurch berücksichtigt, dass dieser in die Explosionsgruppe IIC eingestuft wird. Auch für andere Zündschutzarten gibt es wasserstoffspezifische Anforderungen.
Im Zuge der Umstellung von fossilen Energieträgern auf andere Primärenergien wird es zur spürbaren Erweiterung und Vertiefung der Wasserstoffverwendung kommen. Daraus werden sich neue sicherheitstechnische Fragestellungen ergeben, für die geeignete Lösungen erarbeitet werden müssen. Dazu wird in der deutschen nationalen Wasserstoffstrategie (6) ausgesagt: „Es bedarf insbesondere wissenschaftlich akzeptierter und regulatorisch verankerten Messmethoden und Bewertungskriterien, sowie international akzeptierter technischer Nonnen und Standards. Darüber hinaus muss ein hohes Sicherheitsniveau etabliert werden. Negativereignisse und Unfälle können die Akzeptanz der Wasserstofftechnologie gefährden. Es gilt Vertrauen bei den Nutzern zu schaffen!“ In den folgenden Abschnitten soll dazu der aktuelle Status anhand von ausgewählten Elementen der Wasserstoffketten erläutert werden.
Herstellung des Wasserstoffs
Bei den Herstellungsmethoden für Wasserstoff dominiert derzeit mit ca. 50 % Anteil die Dampfreformation von Erdgas. Auch die Wasserstoffgewinnung aus Kohle hat nach wie vor eine gewisse Bedeutung, auch wenn dies weitestgehend auf China begrenzt ist. Da diese konventionellen Methoden wegen des dabei freigesetzten Kohlendioxids keine Rolle in einem zukünftigen nachhaltigen Wasserstoffkreislauf spielen können **, soll an dieser Stelle lediglich erwähnt werden, dass für derartige großtechnische Anlagen bereits seit vielen Jahrzehnten auf der Normenreihe IEC 60079 und Methoden des primären Explosionsschutzes basierende bewährte Explosionsschutzkonzepte existieren. Ansonsten wollen wir uns im Weiteren auf die Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse konzentrieren. Diese Methode eignet sich speziell für die Nutzung erneuerbarer Energien, da mit ihr einerseits die oben genannte Volatilität des Energieangebotes gut abgepuffert werden kann und andererseits in Form des Wasserstoffs ein Medium mit einer vergleichsweise hohen Energiedichte produziert wird. Gegenwärtig ist der Anteil des Wasserstoffs, der durch Elektrolyse hergestellt wird, mit weniger als 5% noch sehr gering, was insbesondere auf die hohen Produktionskosten zurückzuführen ist. So kostet die Produktion eines Kilogramms „grünen“ Wasserstoffs zwischen dem drei- bis fünffachen Preis, verglichen mit der gleichen Menge, wenn diese aus der Dampfreformation von Erdgas entsteht (3). Wie stark der Anteil des durch Elektrolyse mit Hilfe erneuerbarer Energien erzeugten Wasserstoffs in der Zukunft sein wird, hängt vor allem von der Entwicklung der Strompreise, der Effizienz des Elektrolyseprozesses und der Entwicklung des Erdgaspreises ab. Weltweite, vor allem politisch initiierte Programme zur Entwicklung von Wasserstoffinfrastrukturen wie z.B. die „Deutsche Wasserstoffstrategie“ (6) oder die „Roadmap to a US Hydrogen Economy“ (7) sollen geeignete Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung schaffen.
Gegenwärtig gibt es vier grundsätzliche Methoden für die Elektrolyse, die sich durch die Prozesstemperatur sowie durch die Art der verwendeten Membranen unterscheiden. Das Grundprinzip der Elektrolyse besteht, unabhängig von der verwendeten Methode darin, dass Wasser unter Einwirkung von Gleichstrom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Den Membranen kommt eine entscheidende Bedeutung zu, indem sie einerseits verhindern, dass die beiden Gase in direkten Kontakt kommen und somit ein explosionsfähiges Gemisch bilden (cross over). Andererseits müssen sie so beschaffen sein, dass sie von Ionen passiert werden können. Die weiteste Verbreitung mit dem größten technischen Reifegrad hat die alkalische Elektrolyse erreicht. Hier übernimmt mit Kaliumhydroxid versetzte Flüssigkeit den Ionentransport (OH-)von der Kathode zur Anode. Bei der PEM (Proton Exchange Membran) Elektrolyse (H+) wird genau wie bei der AEM (Anion Exchange Membran Elektrolyse (AEM) ein Feststoff als Membran verwendet. Alle genannten Methoden gehören mit Prozesstemperaturen von 60 bis 80 °C zu den Niedrigtemperaturelektrolysen (NT). Die typischen Wirkungsgrade liegen zwischen 65 % und 82% (3). Als Hochtemperaturelektrolyse (HT) ist vor allem die SOE (Solid Oxid) Elektrolyse zu erwähnen. Hier wird Oxidkeramik als Membranwerkstoff verwendet. Die Prozesstemperaturen liegen im Bereich von 700°C bis 900°C. Statt flüssigem Wasser wird Wasserdampf aufgespalten. Der höhere energetische Aufwand zur Erzeugung der nötigen Prozesstemperaturen wird durch einen sehr hohen Systemwirkungsgrad von 84% kompensiert, der durch die Nutzung der Abwärme zustande kommt (8).
International existiert eine Reihe von Normen, die die sicherheitsrelevanten Belange der wichtigsten Elemente in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette – darunter natürlich auch die Elektrolyse – abdecken. Das technische Komitee TC 197 von ISO hat zunächst einen Technical Report ISO/TR 15916 veröffentlicht (9), in dem ein umfassender Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette mit Produktion, Lagerung, Transport und abschließende Verwendung gegeben wird. Dabei wird auf die relevanten sicherheitskritischen Eigenschaften des Wasserstoffs und die sich daraus ergebenden konkreten Gefahren, besonders die Explosionsgefahren eingegangen und es werden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr vorgeschlagen. Dieser unverbindliche Technische Report stellt einen guten Einstieg in die komplexe Thematik dar und hilft dabei, die konkreten Festlegungen der verwandten Normen besser zu verstehen. Zurzeit befindet sich die zweite Fassung des Dokumentes in Vorbereitung, in der das Thema Flüssigwasserstoff ausführlich ergänzt wird. Für die Elektrolyse von Wasser gibt es seit 2019 die aktuelle Fassung des internationalen Standard ISO 22734: „Hydrogen generators using water electrolysis – Industrial, commercial, and residential applications“ (10). Darin werden die Anforderungen für die Gestaltung, den Bau, die Sicherheit und den Betrieb von Elektrolyseanlagen ausführlich beschrieben. Bezüglich der Sicherheitsaspekte ist hervorzuheben, dass vom Hersteller derartiger Anlagen die Durchführung einer Risikoanalyse verlangt wird, um potenzielle Gefährdungen systematisch zu erfassen, ihre Auftrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Speziell für den Explosionsschutz wird weiter unten festgestellt, dass eine Zoneneinteilung anhand der IEC 60079-10-1 (11) oder adäquater nationaler Standards durchzuführen ist, auf deren Basis geeignete Maßnahmen des primären (Vermeidung des Auftretens explosionsfähiger Atmosphären) und sekundären Explosionsschutzes (Vermeidung von Zündquellen gemäß der Normenreihe IEC 60079) zu ergreifen sind. Beachtet werden sollte dabei, dass aufgrund des Verfahrens unter Umständen mit einer Sauerstoffanreicherung in der Umgebung der Anlagen zu rechnen ist.
Die Maßnahmen des primären Explosionsschutzes sollen dabei insbesondere auf die Verhinderung von Wasserstofffreisetzungen durch eine ausreichende Dichtheit der Anlagenteile abzielen. Abgesichert werden diese Maßnahmen durch eine Überwachung der unmittelbaren Umgebung mittels Gasmessgeräten. Da die Dichtheit einen bestimmenden Aspekt der meisten Sicherheitskonzepte von Wasserstoffanlagen darstellt, ist es aus Sicht des Autors dringend geboten, genaue Spezifikationen für die konkrete Realisierung von dichten Rohrleitungsverbindungen und Apparaturen in die internationale Explosionsschutznormung aufzunehmen. Dies ist in Anbetracht der speziellen Eigenschaften des Wasserstoffmoleküls, die oben beschrieben wurden, besonders angeraten. In Deutschland sind die beiden Kategorien „technisch dicht“ und „dauerhaft technisch dicht“ seit vielen Jahren bewährt. Die konkreten Ausführungsformen sind in der TRGS 722 „Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre“ (12) definiert. Auf europäischer Ebene wurde dieser Notwendigkeit in der neuesten Ausgabe der EN 1127-1: “Explosionsfähige Atmosphären – Explosionsschutz – Teil 1: Grundlagen und Methodik“ in Gestalt des neuen Anhangs B: Dichtheit von Geräten (13) Rechnung getragen. Allerdings muss festgestellt werden, dass es zwischen der nationalen deutschen Vorgabe in (12) und der Europäischen Norm (13) hinsichtlich der Konzepte und einiger Details deutliche Abweichungen gibt. Auf der Ebene von IEC bzw. ISO – Normen fehlt derzeit eine adäquate Vorgabe gänzlich.
Besondere Anforderungen ergeben sich für die Hochtemperaturelektrolyse aufgrund der Prozesstemperaturen (s. oben), die weit über der Mindestzündtemperatur des Wasserstoffs liegen.
Auf nationaler Ebene gibt es ebenfalls bereits seit längerer Zeit Vorgaben für den Explosionsschutz von Wasserstoffanlagen. Diese sind unter dem Abschnitt 1.2.7: „Anlagen zur Herstellung und Verwendung von Wasserstoff“ der Beispielsammlung zu den Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 (14) enthalten. Auch hier stellt die Dichtheit der Anlage, verbunden mit geeigneten Lüftungs- und Gasüberwachungsmaßnahmen und ergänzt durch organisatorische Maßnahmen, das zentrale Element des Sicherheitskonzeptes dar. Für Elektrolyseanlagen wird lediglich in geschlossenen Räumen und beim Fehlen von ergänzenden technischen und organisatorischen Maßnahmen der Bereich unter der Decke als Zone 2 eingestuft.
** auf den sogenannten "blauen" Wasserstoff als Verbindung konventioneller Herstellungsmethoden mit den sogenannten Carbon Capture Utilizations and Storage (CCUS)-Technologien wird in einem späteren Artikel eingegangen.
Speicherung und Transport des Wasserstoffs
Gasförmiger Wasserstoff hat unter atmosphärischen Bedingungen eine äußerst geringe volumetrische Energiedichte. Um eine Verwendung als Energieträger unter technisch und wirtschaftlich akzeptablen Bedingungen gewährleisten zu können, muss er deshalb entweder hoch verdichtet (Druckbereich zwischen 450 bar und 900 bar) oder verflüssigt (kryogene Speicherung unter dem Siedepunkt von -253°C) werden. Auch Kombinationen aus beiden Zuständen - sogenannte Hybridspeicherung - sind gebräuchlich (3). In verflüssigter oder hochverdichteter Form erreicht der Wasserstoff sehr hohe gravimetrische Energiedichten (Energieinhalt pro Gewichtseinheit). Er besitzt einen Heizwert von 33,33 kWh/Kg verglichen mit dem von Rohöl von 11,6 kWh/kg, also dem Dreifachen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass zur Verdichtung auf derartig hohe Drücke 10% bis 15% und zur Verflüssigung etwa 30% der in der jeweiligen Wasserstoffmenge vorhandenen Energie (3) benötigt werden, erhält man eine nutzbare Netto-Energiedichte, die vergleichbar und im Fall der Verdichtung sogar höher als die von Rohöl ist. Allerdings muss gesagt werden, dass die volumetrische Energiedichte deutlich unter den charakteristischen Werten von fossilen Brennstoffen liegt. An dieser Stelle soll noch einmal an die eingangs geschilderte überragende Bedeutung der energiereichen fossilen Rohstoffe für den Menschheitsfortschritt innerhalb der vergangenen 170 Jahre erinnert werden. Mit Hilfe des Wasserstoffs gibt es realistische Perspektiven, diese Entwicklung auch ohne die exzessive und letztlich endliche Ausbeutung der fossilen Reserven fortzusetzen.
Ein wichtiges Betriebsmittel für die Zustandsumwandlung des Wasserstoffs ist der Verdichter (Kompressor). Dabei finden die unterschiedlichsten Verdichter-Bauarten Anwendung, so z.B. Kolbenverdichter, Schraubenverdichter oder Membranverdichter. Wegen der Sicherheits- und Reinheitsanforderungen der Wasserstoffverarbeitung müssen diese hochdicht und frei von Verunreinigungsquellen (ölfrei) sein.
Die Verflüssigung des Wasserstoffs erfolgt schrittweise durch wiederholte Kompressions- ,Entspannungs- und Wärmetauschvorgänge. Im ersten Schritt erfolgt die Abkühlung des Gases auf -40°C (Kühlmittel Ammoniak), darauf folgt der zweite Schritt auf -96°C (Kühlmittel flüssiger Stickstoff) und schließlich erfolgt im dritten Schritt die Abkühlung auf unter -253°C (Kühlmittel Helium) (15).
International existiert gegenwärtig keine gültige Norm, die sich speziell mit der Verdichtung oder mit der Verflüssigung von Wasserstoff beschäftigt. Der Technische Report ISO TR 15916 (9) geht relativ allgemein auf Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit der Wasserstoffverflüssigung ein und enthält darüber eine Vielzahl von allgemeinen Sicherheitsanforderungen und Gestaltungsregeln, die natürlich auch für Kompressoren und Verflüssigungsanlagen zu beachten sind. In (10) werden im Zusammenhang mit Elektrolyseuren auch Anforderungen an die Verdichter zur Weiterverarbeitung des erzeugten Wasserstoffs gestellt. Darin wird u.a. gefordert, dass:
- Sie generell für die Verdichtung von Wasserstoffgas unter den vorgesehenen Druck- und Temperaturbedingungen geeignet sein müssen;
- Sie mit geeigneten Druckentlastungssystemen ausgestattet sein müssen und
- eine automatische Notabschaltung für den Fall von unzulässig hohen Drücken, Temperaturen und von zu geringen Ansaugdrücken vorhanden sein.
Hinweise für die Verwendung von Kompressoren zum Einsatz in Wasserstofftankstellen sind in (16) und in (17) zu finden. Letzteres wird weiter unten noch detailliert beschrieben.
Die Beispielsammlung der deutschen Explosionsschutzregeln (EX-RL) (14) enthält unter Abschnitt 1.2.7.2 Vorgaben für die Verdichtung von Wasserstoff in Räumen und im Freien. In geschlossenen Räumen ist als erste Option eine technische Lüftung, kombiniert mit einer Gaswarnanlage, vorgeschrieben. In diesem Fall wird der Raum als Zone 2 eingestuft und lediglich der Nahbereich der Entwässerung (Kondensatentleerung) wird als Zone 1 klassifiziert. Bei Fehlen der technischen Lüftung muss der Raum, in dem der Verdichter steht, als Zone 1 eingestuft werden. (15).
Für die großtechnische Langzeitspeicherung von gasförmigem, komprimierten Wasserstoff kommen verschiedene geeignete unterirdische geologische Formationen wie Salzkavernen, ausgebeutete Öl- und Gasfelder oder Aquifere (frühere Lagerstätten von Grundwasser) in Frage. (3)
Für die kurz- bis mittelfristige Speicherung und den Transport kann hochkomprimierter gasförmiger oder tiefkalter (kryogener) Wasserstoff aber auch teilweise fester Wasserstoff (slush hydrogen) verwendet werden.
Eine weitere Speichermöglichkeit, die Stoffspeicher, bei denen Wasserstoffmoleküle in Festkörpern, Flüssigkeiten oder auf der Oberfläche von Festkörpern gespeichert werden. Am bekanntesten sind dabei die Metallhybridspeicher. Alle Stoffspeicher befinden sich gegenwärtig noch im frühen Entwicklungsstadium.
Als Hochdruckspeicher werden spezielle Voll- oder Stahl-Composite-Druckspeicher verwendet. Für den Transport auf LKWs werden diese Behälter in sogenannten CGH2-Tube-trailern (Compressed Gaseous H2 ) gebündelt und in einem Schutzrahmen zusammengefasst. Typische Drücke bewegen sich hier zwischen 200bar und 250 bar. (3). Größere Transportmengen können mit sogenannten Multiple Element Gas Containern (MEGC) transportiert werden. Hier werden Drücke von ca. 500 bar eingesetzt.
Flüssiger Wasserstoff wird in Tankwagen auf der Straße, zu Wasser oder auf der Schiene transportiert. Im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff sind die Transportmengen hier größer, da die Dichte des flüssigen Wasserstoffs die des komprimierten gasförmigen übersteigt. Die technischen Lösungen zur Wärmeisolation und Kühlung des flüssigen Wasserstoffes sind mittlerweile so ausgefeilt, dass man große Mengen der Flüssigkeit über längere Zeiträume und ohne nennenswerte Verdampfungsverluste speichern und transportieren kann. Für die Transportbehälter sowie das erforderliche Zubehör gibt es bei ISO TC 220: „Cryonic Vessels“ einen umfassenden Satz an internationalen Normen.
Eine weitere Möglichkeit zur Verteilung von gasförmigem Wasserstoff in großen Mengen besteht in der Nutzung von Pipelines. Für den Transport von reinem oder hochprozentigem Wasserstoff werden aufgrund der spezifischen Eigenschaften des Gases spezielle Rohrleitungen benötigt. Obwohl es in einigen Ländern derartige Transportmöglichkeiten bereits gibt (in Deutschland existieren z.B. derzeit zwei reine Wasserstoffnetze, die von privaten Unternehmen betrieben werden und sich insgesamt über mehrere hundert Kilometer erstrecken (18)), wären die Kosten der Errichtung eines großflächigen Pipeline – Netzwerks zur Versorgung einer gesamten Volkswirtschaft auf absehbare Zeit nicht zu rechtfertigen. Wesentlich realistischer ist der Ansatz, in bestehende Erdgasnetze einen tolerierbaren Anteil an Wasserstoff zuzumischen. Untersuchungen und erste praktische Erfahrungen haben erbracht, dass dies bis zu einem Wasserstoff-Anteil von 10% problemlos möglich ist. Mit einer Zumischung von Wasserstoff zum Methan sinken die Kohlendioxid- und Stickoxid-Emissionen bei der Verbrennung. Allerdings sinkt auch der Brennwert des Gemisches und damit die Energieeffizienz des Systems (19).
Abgabe an Endverbraucher – Beispiel Wasserstofftankstellen
Die Möglichkeiten, den Energieträger Wasserstoff zur Verrichtung von Arbeit einzusetzen sind vielfältig. So kann man Gebäude heizen oder Schiffe und Unterseeboote, Schienenfahrzeuge, LKW, PKW und sogar Flugzeuge antreiben. Ein großes Anwendungsgebiet wird in der Bereitstellung von Energie über unterbrechungsfreie Stromversorgungen und Notstromaggregate gesehen. Die technologische Reife der jeweiligen Anwendung ist gegenwärtig noch sehr unterschiedlich weit vorangeschritten. Während das Betreiben von Flugzeugen noch in sehr kleinen Kinderschuhen steckt, kann man brennstoffzellengetriebene Unterseeboote oder Gabelstapler mittlerweile zum Stand der Technik zählen. Auch die stoffliche Verwendung von Wasserstoff in den unterschiedlichsten Industriebereichen nimmt beachtliche Ausmaße an und wird auch in Zukunft weiter stark wachsen. Neben den oben genannten Anwendungen in der Chemie und Petrochemie kommen neue Gebiete, wie der Ersatz von Koks bei der Stahlproduktion oder wie die Zementproduktion hinzu.
Aus der Perspektive des Explosionsschutzes soll an dieser Stelle speziell auf Wasserstofftankstellen zur Betankung von Straßenfahrzeugen eingegangen werden. Weltweit wird gegenwärtig mit der Errichtung von flächendeckenden Netzwerken zur Versorgung wasserstoffgetriebener Kraftfahrzeuge begonnen. Laut Wikipedia (Zugriff am 13. Januar 2021) wurden davon in den USA und Kanada 46 (Anfang 2021), in Europa 110 (Ende 2019) betrieben. In Asien ist man bereits wesentlich weiter: Alleine in Japan standen zu den Olympischen Sommerspielen 2021 bis zu 160 Wasserstofftankstellen zur Verfügung.
Seit 2020 gibt es auch die aktuelle Version des entsprechenden Internationalen Standards ISO 19880-1: „Gaseous hydrogen – Fuelling stations Part 1: General requirements“. Auf mehr als 180 Seiten werden in diesem Dokument sehr ausführlich die Sicherheitsanforderungen für derartige öffentliche und nicht-öffentliche Betankungsanlagen erörtert.
Zunächst wird darin vom Errichter/Betreiber gefordert, eine systematische Risikoanalyse durchzuführen. Als Hilfestellung für die korrekte methodische und inhaltliche Realisierung sind die beiden sehr umfangreichen Anhänge A und B am Ende der Norm zu verstehen.
In der Risikoanalyse müssen alle potenziellen Gefahrenquellen berücksichtigt werden. Als solche sind eingangs insbesondere folgende Anlagenteile genannt:
- Lokale Wasserstoff-Produktionseinheiten
- das komplette externe Wasserstoff-Versorgungssystem
- Kompressoren
- Tanks
- Sämtliche nicht geschweißte Rohrverbindungen
- die Wasserstoffstoffverteilung bis zu den Fahrzeugen
Wasserstofftankstellen müssen so gestaltet und ausgeführt werden, dass bei beabsichtigter oder unbeabsichtigter Freisetzung explosionsfähiger Gase unter normalen Betriebsbedingungen die Bildung von explosionsfähigen Atmosphären verhindert, minimiert, erkannt oder beherrscht wird.
Um die Freisetzung von unzulässig großen Mengen brennbarer Gase zu verhindern, müssen automatische Absperrventile an geeigneten Stellen der Anlage eingebaut werden.
Die Anlage ist gemäß der Norm IEC 60079-10-1 oder adäquater nationaler Vorschriften zu untersuchen und es ist auf der Basis dieser Untersuchung eine Zoneneinteilung vorzunehmen. Neben den Maßnahmen des primären Explosionsschutzes wie der Sicherstellung der Dichtheit und der Atmosphärenüberwachung sind Maßnahmen zur Verhinderung potenzieller Zündquellen vorzusehen. Dies kann beispielsweise durch Abstände oder begrenzte Zutrittsberechtigungen erfolgen. Explizit wird auf die Zündschutzmethoden nach IEC 60079 ff. und IEC 80079 ff. verwiesen
Auch der konstruktive Explosionsschutz ist vorgesehen. So wird zum Schutz vor Gefahren durch Überdruck der Einbau geeigneter Entlastungseinrichtungen verlangt.
Die gesamte Anlage muss korrekt geerdet und in den Potenzialausgleich eingebunden sein. Weitere Maßnahmen zur Verhinderung von elektrostatischen Aufladungen haben zu erfolgen.
Es müssen auch Maßnahmen geplant werden, um die schädlichen Effekte von Ereignissen in der Umgebung der Tankstelle zu verhindern. Insbesondere potenzielle Brände in der Umgebung werden betrachtet.
Auf Wasserstoff-Kompressoren wird ausführlich eingegangen. So wird neben der oben genannten Risikoanalyse u.a. explizit gefordert, dass:
- sie keine Zündquellen aufweisen
- Vibration und Ortsveränderung von Kompressoren kompensiert wird, um mechanische Beschädigungen zu verhindern
- eine geeignete Überwachung der Temperatur und Druckniveaus sowie weiterer speziell bei der Verdichtung von Wasserstoff zu beachtenden Parametern vorgenommen wird.
Ausführliche Festlegungen werden zum Not-Abschaltregime (Emergency Shut Down) getroffen.
Die Wartung und Inspektion der Tankstellenanlage. in Bezug auf den Ex-Schutz hat nach IEC 60079-17 zu erfolgen.
In Deutschland gilt als spezielle nationalen Festlegung zum Explosionsschutz von Wasserstofftankstellen die TRGS 751: „Vermeidung von Brand-, Explosions- und Druckgefährdungen an Tankstellen und Gasabfüllanlagen zur Befüllung von Landfahrzeugen“, die in der gültigen Fassung vom 02.10.2020 um die Aspekte von Wasserstoff als Treibstoff ergänzt wurde.
Rückverstromung
Die Gewinnung elektrischer Energie aus Wasserstoff erfolgt über Brennstoffzellen. Da es sich im Wesentlichen um die Umkehr der oben beschriebenen Elektrolyse handelt, soll an dieser Stelle lediglich festgestellt werden, dass man die Arbeitsprinzipien analog zur Elektrolyse kategorisieren kann. Für weitere Details wird z.B. auf (3) verwiesen. Je nach Verfahren können Wirkungsgrade zwischen 30% und 70% erreicht werden.
Der Explosionsschutz ist auf internationaler Ebene über das Technische Komitee TC 105 von IEC geregelt. Anfang 2021 werden in 11 Arbeitsgruppen Normenprojekte zu den unterschiedlichen Anwendungsfällen, von der Micro-Brennstoffzelle bis hin zum Antriebsaggregat für Drohnen bearbeitet. In der Regel handelt es sich um neue Normen, mit deren Fertigstellung in den kommenden Jahren zu rechnen ist. Weitere Informationen sind der IEC-Homepage zu entnehmen.
Bereits verfügbar sind die Normen für die Sicherheit von stationären Brennstoffzellen-Energiesysteme (20) sowie für die Sicherheit von portablen Brennstoffzellen-Energiesystemen (21).
Der Explosionsschutz ist in beiden Dokumenten ähnlich geregelt. Die wichtigsten Anforderungen dabei sind:
- es sind Gefährdungen durch Ansammlung entflammbarer Atmosphäre auszuschließen
- die Grenze für Verdünnung normaler interner Freisetzung: ist mit 25% der unteren Explosionsgrenze (UEG) festgelegt.
- Sämtliche Geräte, die innerhalb der Verdünnungsgrenze eingesetzt werden, müssen der Zonenklassifizierung nach IEC 60079-10-1 entsprechen.
- Die Oberflächentemperaturen sind auf 80% der Selbstentzündungstemperatur der potenziellen Brennstoff-Luft-Gemische zu begrenzen und
- es sind geeignete Maßnahmen zum Schutz vor elektrostatischen Aufladungen zu treffen.
- Es müssen Sicherheitseinrichtungen vorhanden sein, die gewährleisten, dass das gesamte Energiesystem die 25 % -Verdünnungsgrenze unterschreitet.
Speziell für stationäre Brennstoffzellensysteme werden Rohrbegleitheizungen nach IEC 60079-30-1 gefordert. Es besteht die Möglichkeit, den gesamten explosionsgefährdeten Bereich durch eine Überdruckkapselung gemäß IEC 60079-2 zu schützen.
Wie für alle anderen Elemente des Wasserstoffkreislaufs gilt, dass durch eine umfassende Risikoanalyse sämtliche potenzielle Gefährdungen zu erfassen und durch geeignete Maßnahmen auf ein akzeptables Risikoniveau zu reduzieren sind.
In Deutschland gibt es derzeit keine speziellen nationalen Festlegungen zum Explosionsschutz von Brennstoffzellensystemen.
Ausblick
Wasserstoff ist „in“. Mehr und mehr Berichte über geplante oder bereits realisierte Anlagen zur Erzeugung und Verteilung des Gases erscheinen täglich in den Medien. Die Börsenkurse der bekanntesten Hersteller von Wasserstoffanlagen oder von Wasserstoff sind seit 2019 beachtlich gestiegen. Anders als zu Beginn dieses Jahrtausends hat es diesmal den Anschein, dass diesem Hype eine wesentlich längere Lebensdauer beschieden sein sollte, als damals. In Anbetracht der gigantischen Aufgabe, die in einer umfassenden Neugestaltung der Energieversorgungs- und Mobilitätsstrukturen weltweit besteht, ist dies nicht verwunderlich. Nach und nach gelangt aber auch die Tatsache in das öffentliche Bewusstsein, dass die Errichtung und der Betrieb einer umfassenden Wasserstoff-Infrastruktur nicht zum Nulltarif zu haben ist. Grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien ist gegenwärtig noch wesentlich teurer als grauer, also aus Erdgas gewonnener. Die Sicherheitsanforderungen sind zwar nicht höher als man sie von den fossilen Energieträgern kennt, aber eben auch nicht geringer – zumindest auf die Explosionsgefahren bezogen. Sicherheitstechnisch günstigere Eigenschaften wie die hohe Flüchtigkeit aufgrund der geringen Dichte werden durch ungünstigere Eigenschaften wie die extrem niedrige Mindestzündenergie und den hohen Diffusionskoeffizienten ausgeglichen. In der Prozessindustrie ist man seit vielen Jahrzehnten geübt, mit den Explosionsgefahren des Wasserstoffes umzugehen und viele hier bewährte Regelungen können sicher auch in die neuen Wasserstoffkreisläufe und -anwendungen übernommen werden. Aber es gibt auch neue Umstände zu beachten. Wasserstoff wird zukünftig nicht nur in gut von der Öffentlichkeit abgeschotteten, von geschultem Personal betriebenen Anlagen gehandhabt, sondern die neuen Anwendungen gehen dezentral in die Öffentlichkeit. Elektrolyseanlagen werden in der Nähe von Windparks errichtet, umfangreiche Wasserstoff-, Belieferungs- und -Betankungsnetze entstehen. Und die Anlagen müssen immer größer werden, um die eingangs erwähnten Speicherfunktionen für volatile Erneuerbare Energien zu gewährleisten. Im Anhang I der 12. Bundes-Immissionsschutzverordnung (Störfall-Verordnung) sind für Wasserstoff folgende Mengenschwellen angegeben:
- Betriebsbereiche nach § 1 Abs. 1 Satz 1: 5.000 kg
- Betriebsbereiche nach § 1 Abs. 1 Satz 2: 50.000 kg
Damit fallen Wasserstoffanlagen, die die genannten Schwellenwerte überschreiten, unter den Geltungsbereich der Störfallverordnungen und müssen deren hohe Anforderungen in Bezug auf die Anlagensicherheit erfüllen. Große Elektrolyseanlagen im Leistungsbereich von 100 MW sollten mit ihrer Produktionskapazität zumindest den unteren Grenzwert deutlich überschreiten.
In Anbetracht dieser und der in den kommenden Jahren zu erwartenden Entwicklungen ist es daher sehr zu begrüßen, dass ISO und IEC viele wichtige Aspekte der Sicherheitstechnik entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungsketten in internationalen Standards behandeln. Einige dieser Standards sind, wie oben beschrieben wurde, bereits veröffentlicht, einige stehen kurz vor der Fertigstellung. Der nächste logische Schritt sollte darin bestehen, dass diese Standards in der auf anderen Gebieten bewährten Weise über die Europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC in Europäische Normen umgesetzt werden und von da aus in die nationale Normung einfließen. Auf der nationalen Ebene müssen sie dann schließlich mit den Verordnungen und Regelungen in Einklang gebracht werden. Dass auf diesem Gebiet noch ein sehr großer Arbeitsaufwand notwendig ist, sollte durch die Gegenüberstellung der Forderungen aus den neuen internationalen Standards und den entsprechenden Aussagen aus den deutschen Ex-Regeln (EX-RL) (14) ersichtlich geworden sein.
PS: Eine zentrale Erkenntnis sämtlicher Untersuchungen zum Thema Wasserstofferzeugung und –nutzung im öffentlichen und industriellen Bereich ist, dass die speziellen Eigenschaften des Mediums „Wasserstoff“ von allen direkt Beteiligten gut verstanden werden müssen.
Dieses Verständnis, verbunden mit soliden Kenntnissen der mit Wasserstoff verbundenen Technologien und Sicherheitskonzepten, ermöglicht erst die umfassende Nutzung der im Artikel beschriebenen Potenziale in einer sicheren und von der Öffentlichkeit akzeptierten Art und Weise.
Aus diesem Grund möchten wir auf ein neues Weiterbildungsangebot der DIU Dresden (Weiterbildungsinstitut der TU Dresden) aufmerksam machen. Einzelheiten finden Sie hier: DIU: Wasserstofftechnik (di-uni.de)
Literatur
1. Der Mensch in Watt. [Online] [Zitat vom: 29. 12 2020.] www.wienenergie.at.
2. Methanol als Energieträger der Zukunft. Dr. Plass, Ludolf. Frankfurt : DECHEMA Kolloquium: Methanol Chemie- Rohstoff und Energieträger der Zukunft, 2014.
3. Shell Wasserstoff-Studie: Energie der Zukunft. s.l. : Shell, 2017.
4. CHEMIE.DE. Chemielexikon: Wasserstoff.
[Online] [Zitat vom: 30. 12 2020.] www.chemie.de.
5. Hydrogen: A Renewable Energy Perspective. Abu Dhabi : IRENA International Renewable Energy Agency, 2019.
6. Die Nationale Wasserstoffstrategie. Berlin : Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 2020.
7. Roadmap to a US Hydrogen Economy: Reducing emissions and driving growth across the nation. s.l. : ushydrogenstudy.org, 2020.
8. Hydrogen THE RENEWABLE FEEDSTOCK AND ENERGY CARRIER.
[Online] [Zitat vom: 01. 01 2021.] www.sunfire.de/en/green-hydrogen.
9. Technical report ISO/TR 15916: Basic considerations for the safety of hydrogen systems Second Edition. Geneva Switzerland : ISO, 2015 .
10. ISO 22734: Hydrogen generators using water electrolysis - Industrial, commercial, and residential applications: 1. Edition. Geneva : ISO, 2019.
11. DIN EN IEC 60079-10-1: Explosionsgefährdete Bereiche-Teil 10-1: Einteilung der Bereiche - Gasexplosionsgefährdete Bereiche. Berlin : Beuth, 2016.
12. TRGS 722: Vermeidung oder Einschränkung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre. Dortmund : Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA, 2012.
13. DIN EN 1127-1: Explosionsfähige Atmosphären - Explosionsschutz - Teil 1: Grundlagen und Methodik:. Berlin : Beuth, 2019.
14. DGUV Regel 113-001 Explosionsschutz-Regeln (Ex-RL). Berlin : DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 2020.
15. Olah, G.A., Goeppert, A. und Surya Prakash, G.K. Beyond Oil and Gas: The Methanol Economy. Weinheim : Wiley-VCH, 2018.
16. ISO 19880 - 3 Gaseous hydrogen-fueling stations - Part 3: Valves. Geneva : ISO, 2018.
17. ISO 19880 - 3 Gaseous hydrogen-fueling stations - Part 1: General Reqirements. Geneva : ISO, 2020.
18. Regulierung von Wasserstoffnetzen Bestandsaufnahme. Bonn : Bundesnetzagentur, 2020.
19. Dörr, H. u.a. Untersuchungen zur Einspeisung von Wasserstoff in ein Erdgasnetz. energie | waser-praxis. 2016, 11.
20. DIN EN IEC 62282-3-100: Brennstoffzellentechnologien - Teil 3-100: Stationäre Brennstoffzellen-Energiesysteme-Sicherheit. 1. Berlin : DIN, 2020.
21. DIN EN IEC 62282-5-100: Brennstoffzellentechnologien - Teil 5-100: Portable Brennstoffzellen-Energiesysteme - Sicherheit. Berlin : DIN, 2019.
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