Eine Fundgrube an Industrieerfahrung
Interview mit dem neuen IECEx-Vorsitzenden Paul Meanwell
DOI: 10.60048/exm20_30Am 1. Januar 2020 wurde Paul Meanwell zum neuen Vorsitzenden von IECEx ernannt.
Er löst damit Thorsten Arnhold ab, der dem IECEx in den letzten sechs Jahren vorstand und nun als „IECEx Immediate Past Chair“ mit neuen Aufgaben betraut ist.
IECEx ist das IEC-System zur Zertifizierung von Geräten zum Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären.
Ein Leben für den Bergbau
Paul Meanwells gesamte berufliche Laufbahn ist eng mit dem Bergbau verbunden. So arbeitete er unter anderem für die British Coal Corporation, für Gencor in Südafrika und für Davis Derby. Derzeit ist er für die Komatsu Mining Corporation tätig, die Bau-, Bergbau-, Forst- und Militärausrüstungen sowie Industriemaschinen wie Pressen, Laser und thermoelektrische Generatoren herstellt. Als „Engineering Governance Manager“ der Abteilung Untertagebau leitet er die Zertifizierungsabteilung, die sich nach den IECEx-Zertifizierungen richtet. Er führt außerdem die Abteilung für die Designrisikobeurteilung, die sich mit rechtlichen Aspekten und deren Einhaltung im Zusammenhang mit Normen, Gesetzen und Vorschriften befasst. Darüber hinaus ist er für Richtlinien und Verfahren innerhalb der technischen Abteilung verantwortlich.
Normenentwicklung und Zertifizierung auf nationaler Ebene
In Südafrika beheimatet, trat Meanwell der South African Flameproof Association (SAFA) bei, dem südafrikanischen Spiegelgremium des IECEx, dem er 18 Jahre lang, bis September 2019, als Präsident vorstand.
Er ist Vorsitzender des technischen Komitees 065 des South African Bureau of Standards (SABS), dem südafrikanischen technischen Komitee für Explosionsschutztechnik, und hält einen Sitz im südafrikanischen IEC-Komitee (SANC). Im Laufe der Jahre hat er in einer Reihe von Arbeitsgruppen im Bereich Explosionsschutz mitgewirkt.
Regionale Rolle
Meanwell engagiert sich außerdem in der Afrikanischen Kommission für elektrotechnische Normung (AFSEC) und ist Mitglied des Konformitätsbewertungsausschusses. Er war Vorsitzender des 2019 aufgelösten Technischen Komitees 31 für Betriebsmittel für explosionsfähige Atmosphären. Meanwell nahm an verschiedenen IEC-AFSEC-Workshops teil. In diesem Zusammenhang ist vor allem sein Kurs über die Einteilung von explosionsgefährdeten Bereichen in der Demokratischen Republik Kongo erwähnenswert. Er hält regelmäßig Vorträge auf Konferenzen und Seminaren und schreibt Artikel für verschiedene Fachzeitschriften.
Engagement im IECEx
Vor seiner Ernennung zum IECEx-Vorsitzenden war Meanwell bereits viele Jahre Mitglied verschiedener Arbeitsgruppen, insbesondere zur Geschäftsentwicklung und zum Ex-Prüfzeichen. So konnte er mitverfolgen, wie das Zertifizierungssystem in der Industrie immer mehr Anwendung fand. „IECEx ist das einzige System seiner Art für explosionsgeschützte Betriebsmittel”, führt er aus.
Doch während sich IECEx in den Industrieländern durchgesetzt hat, ist die Situation in Afrika anders, wo nur wenige Länder Mitglied im IEC sind. Die meisten anderen nehmen am IEC Affiliate Country Programme teil, das es ihnen ermöglicht, sich mit Aktivitäten wie Normenentwicklung und Konformitätsbewertung vertraut zu machen.
Ein weiterer Grund ist, dass in Afrika viele Investitionen aus Übersee kommen, hauptsächlich aus Australien, China oder Europa. Wenn ausländische Unternehmen nach Afrika kommen, um ein Werk oder ein Bergwerk zu eröffnen, tun sie dies zu ihren eigenen Bedingungen und unter Anwendung der gleichen Standards, auf die sie sich in ihren Heimatländern verlassen. Die afrikanischen Länder akzeptieren wiederum Normen, die auf den internationalen IEC-Normen basieren. Die IEC-Normen werden auf dem Kontinent verwendet, wenn auch nur indirekt.
Meanwells Erfahrung zufolge neigt man im südlichen Afrika dazu, die IEC-Normen zu verwenden, während im Westen und Norden Afrikas eher europäische Normen bevorzugt werden. Eine der Aufgaben der AFSEC ist es jedoch, die Anwendung der internationalen IEC-Normen auf dem Kontinent zu fördern. „Es ist allgemein anerkannt, dass IEC-Normen der richtige Weg sind, aber Regierungen und Behörden müssen von ihrer Übernahme noch überzeugt werden.“
Entwicklung der Bergbauausrüstung
Meanwell bezeugt, dass die Automatisierung im Bergbau große Fortschritte gemacht hat. „Meine Beobachtung ist, dass Technologien im Allgemeinen zuerst für übertägige Anwendungen entwickelt und erst später für den Bergbau angepasst werden. Eine kleine Menge von spezifischen Technologien wird aber auch für den Untertagebau entwickelt.“
„Heutzutage können alle über- und unterirdischen Anlagen von Überwachungsstationen über Tage überwacht werden. So ist zum Beispiel unsere Überwachungszentrale in Südafrika mit allen unseren Bergwerken verbunden. Wir können sehen, ob und wie die Betriebsmittel arbeiten, und wir verwenden vorausschauende Software, um die verschiedenen Komponenten zu überwachen, sodass wir Ausfälle vorhersehen und darauf reagieren können, bevor sie auftreten. So können wir frühzeitig Ersatzteile anliefern und der Bergwerksleitung raten, diese während der Wartungsschichten auszutauschen, anstatt auf einen Ausfall zu warten, der die Produktion stoppt.“
Zukünftige Herausforderungen
Für Meanwell ist eines der vorrangigsten Themen für die IEC und IECEx, mit welcher Geschwindigkeit das IEC, die IECEx-Zertifizierungsstellen (ExCBs) und die Testlabore (ExTLs) ihre Dienstleistungen erbringen können. „Wir leben heute in einer Welt, in der sich die Technologie in rasantem Tempo weiterentwickelt. Wenn wir Normen für neuen Technologien geschrieben haben, sind diese bereits veraltet und die Industrie geht zu etwas anderem über. Und natürlich müssen nach der Veröffentlichung neuer Normen innerhalb von IECEx die Akkreditierungsprozesse eingehalten werden, damit ExTLs und ExCBs nach diesen Normen prüfen und zertifizieren können. Wir müssen neue Wege finden, diese Prozesse zu straffen, um uns bereits bei der Entwicklung von Normen und bei der Zertifizierung an neue Technologien anzupassen.“
Als Beispiel nennt Meanwell die vor einigen Jahren erfolgte Freigabe der Normen zu den Zündgefahren von nicht-elektrischen oder mechanischen Geräten. „Sie haben sich schnell weltweit durchgesetzt und IECEx hat wirklich gute Arbeit geleistet, denn mehr als die Hälfte der Zertifizierungsstellen und Prüflabore sind jetzt akkreditiert, um nach diesen Normen zu zertifizieren.“
Das Prüfsystem muss auch junge Menschen für sich gewinnen. „Wir sehen uns auch mit einer gewissen Qualifikationslücke konfrontiert, da ältere Mitarbeiter kurz vor der Pensionierung stehen. Wir müssen unseren Marketingansatz ändern, um junge Menschen anzusprechen. IECEx muss die Technologien nutzen, die von der jüngeren Generation bevorzugt werden, und sich an die Denkweise der jüngeren Menschen anpassen, um sie für IECEx zu begeistern.“
Als IECEx-Vorsitzender wird Meanwell Einfluss auf die Geschäftsentwicklung des Systems haben. „Sowohl Arnhold, der jetzt den Vorsitz der Arbeitsgruppe Geschäftsentwicklung innehat, als auch der stellvertretende Vorsitzende Martin Cole sind mit diesem neuen Ansatz einverstanden. IECEx ist weltweit das einzige System seiner Art. Wenn wir wollen, dass es weltweit akzeptiert wird, brauchen wir neue Leute an Bord, die uns dabei unterstützen, die Regulierungsbehörden der Länder, in denen wir tätig sind, davon zu überzeugen, dass sie unsere Zertifikate ohne weitere Tests in ihren Ländern akzeptieren können.“
Zur Geschlechtervielfalt
Meanwell ist der Überzeugung, dass es in den letzten Jahren im Hinblick auf die Geschlechtervielfalt viele Veränderungen gegeben hat. „Im Nationalkomitee des IEC für Südafrika arbeiten hart daran, ein besseres Geschlechtergleichgewicht zu erreichen. Das ist heute ein sehr aktuelles Thema in meinem Land. Bei SAFA tragen inzwischen mehr Frauen Verantwortung im Vorstand. Die Situation verbessert sich, aber wir müssen noch mehr Frauen sowohl in der Normenentwicklung als auch in der Konformitätsbewertung einstellen.“
Abschließend meint Meanwell: „Ich habe gerade die Nachfolge von Thorsten Arnhold angetreten und möchte weiter vorankommen und hoffentlich mindestens so gut sein wie er als Vorsitzender. Ich hoffe, dass ich als Repräsentant von IECEx die Menschen ermutigen und mitreißen kann.“
Quelle: e-tech
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